Wolfgang Amadeus Mozart
* Salzburg, 27. Jänner 1756
† Wien, 5. Dezember 1791
Trio für Klavier, Violine und Violoncello, C-Dur, KV 548
komponiert: Wien (Währinger Straße 26, Gartenhaus), beendet am 14.Juli 1788
Uraufführung: nicht dokumentiert
Erstausgabe: Artaria, Wien, 1788
„…Wenn Sie vielleicht so bald nicht eine Solche Summa entbehren könnten, so bitte ich sie mir wenigstens bis Morgen ein paar hundert gulden zu lehnen, weil mein Hausherr auf der Landstrasse so indiscret war, daß ich ihn gleich auf der stelle ( um ungelegenheit zu vermeiden ) auszahlen musste, welches mich sehr in unordnung gebracht hat! – wir schlafen heute daß erstemal in unserem neuen quartier, alwo wir Sommer und winter bleiben; – ich finde es im grunde einerley wo nicht besser; ich habe ohnehin nicht viel in der stadt zu thun, und kann, da ich den vielen besuchen nicht ausgesezt bin, mit mehrerer Musse arbeiten; – und muß ich geschäfte halber in die stadt, welches ohnehin selten genug geschehen wird, so führt mich Jeder fiacre um 10 x: hinein, um das ist auch das logis wohlfeiler, und wegen frühJahr, Sommer, und Herbst, angenehmer – da ich auch einen garten habe. – Das Logis ist in der waringergasse, bey den 3 Sternen N:o 135.“
Die Übersiedlung, die Mozart seinem Logenbruder Michael Puchberg am 17. Juni 1788 mit diesem Brief anzeigt, ist äußeres Zeichen der kontinuierlichen Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage: Schon ein Jahr zuvor hatte er den herrschaftlichen Haushalt im „Figaro-Haus“ (Schulerstraße 8/Domgasse 5) aufgeben müssen und auf der Landstraße ein billigeres Quartier bezogen (Landstraße 75-77). Vielleicht weil diese Unterkunft sich als nicht ausreichend winterfest erwiesen hatte, zogen die Mozarts schon Anfang Dezember wieder in die Stadt um (Tuchlauben 27/Ecke Schultergasse), wo Constanze am 27. Dezember 1787 ihr viertes Kind zur Welt brachte. Wie aus dem zitierten Brief hervorgeht, hatte man dabei aber, um im Sommer wieder die Vorteile einer luftigeren Wohnung im Grünen nützen zu können, den Haushalt auf der Landstraße zunächst nicht aufgegeben – eines der vielen kleinen Indizien für Mozarts Großzügigkeit im Umgang mit dem leidigen Geld.
Wenige Wochen zuvor hatte Joseph II. als Verbündeter Rußlands dem Osmanischen Reich den Krieg erklärt, ein in jeder Hinsicht unglücklicher Schritt, dessen absehbares Scheitern auch die allgemeine Wirtschaftslage deutlich verschlechterte. Die durch die völlig sinnlosen Kriegsausgaben heraufbeschworene Krise zwang in der Folge sogar den Adel zu Sparmaßnahmen, und darunter litt naturgemäß das Wiener Musikleben besonders empfindlich. Der in krassem Gegensatz zu dem Prager Triumph des Vorjahres stehende Mißerfolg der Wiener Erstaufführung des „Don Giovanni“ (7. Mai 1788) ist so besehen nicht ausschließlich auf den schlechten Geschmack der Wiener zurückzuführen. Was Mozarts persönliche finanzielle Probleme anlangt, so waren, neben einer in manchem wahrscheinlich noch immer allzu aufwendigen und luxuriösen Haushaltsführung, vor allem Constanzes Krankheit und die dadurch notwendigen Kuren eine zusätzliche Belastung. Immer wieder und in immer kürzeren Abständen muß Mozart sich mit der Bitte um finanzielle Unterstützung an Puchberg wenden, der ihn fast nie enttäuscht. Zu der materiellen Misere kommt persönliches Leid: knapp zwei Wochen nach der Übersiedlung auf den Alsergrund stirbt die im Dezember zur Welt gekommene Tochter Theresia (29. Juni 1788).
Mozarts Hoffnung, „mit mehrerer Musse arbeiten“ zu können, hat sich aber all diesen tragischen und widrigen Umständen zum Trotz dennoch in wunderbarer Weise bestätigt: Schon in den ersten beiden Monaten entstand im neuen Quartier „Zu den drei Sternen“ (an der Stelle des heutigen Hauses Währinger Straße 26) die Triade der letzten Symphonien – ein Leistung, deren konzentrierte Dichte in der Musikgeschichte vielleicht nur noch in der Entstehung von Schuberts letzten drei Klaviersonaten eine Parallele hat. Ist Mozarts Arbeitsrhythmus schon zu „normalen“ Zeiten beeindruckend, so wird in diesen Wochen die Grenze des Vorstellbaren erreicht. Das E-Dur-Klaviertrio (KV 542) ist mit dem 22. Juni datiert; vier Tage später ist die Niederschrift der Es-Dur-Symphonie (KV 543) beendet. Am selben Tag trägt Mozart in sein handschriftliches Kompositionsverzeichnis auch die zwischendurch entstandenen Werke KV 544-546 ein, unter denen sich auch die als „Sonata facile“ zu ominöser Berühmtheit gelangte Klaviersonate in C-Dur (KV 545) befindet. Der erste Eintrag nach dem Tod der Tochter datiert vom 10. Juli: An diesem Tag beendet Mozart die letzte seiner Sonaten für Klavier und Violine (F-Dur, KV 547). Der Komposition unseres Klaviertrios folgt dann innerhalb weniger Wochen der Abschluß der G-moll-Symphonie (KV 550, 25. Juni) und von Mozarts letzter Symphonie, der Jupiter-Symphonie (C-Dur, KV 551, 10. August). Als kammermusikalischer Epilog zu diesem vielleicht produktivsten Sommer in Mozarts Leben entstehen nach einer kurzen Pause dann im Herbst noch das große Divertimento für Streichtrio (Es-Dur, KV 563) und das letzte Klaviertrio (G-Dur, KV 564).
Wenn man einmal den fast unvermeidlichen ehrfürchtigen Schauer vor einer solchen Schaffensflut beiseite läßt, dann erscheinen einige Details dieser beeindruckenden Werkliste besonders bemerkenswert. Da ist zunächst einmal die auffällige Häufung „letzter Werke“: Mehr als drei Jahre vor Mozarts Tod werden in diesen Monaten gleich drei Werkgattungen ad acta gelegt – die Symphonie, die Violinsonate und das Klaviertrio. Obwohl man – jedenfalls in den letzten beiden Fällen – sicher nicht von einem bewußten Abschluß der Auseinandersetzung mit den betroffenen Genres sprechen wird dürfen, so ist das Factum als solches doch erstaunlich, vor allem, wenn man bedenkt, ein wie langer Abschnitt die (mit unserer Alltagselle gemessen recht kurz erscheinende) verbleibende Zeit in Mozarts Biographie war. Als nächstes fällt auf, daß die Werke, die sich zwischen die Komposition der Symphonien drängen, zwar in vieler Hinsicht die Klang- und Gedankenwelt dieser Gipfelwerke widerspiegeln, sich jedoch ganz betont bescheiden geben: Die Sonaten KV 545 und KV 547 sind sogar ganz ausdrücklich „für Anfänger“ geschrieben – und zwar, soweit wir wissen, ohne die geringste unmittelbar praktische Veranlassung. Im Zusammenhang mit diesen beiden Sonaten, unserem Trio und der Krönung dieses ganzen Sommers, der Jupiter-Symphonie, verdient vielleicht noch die Tatsache Erwähnung, daß von den dreizehn Sätzen dieser vier Werke nur ein einziger (nämlich der Mittelsatz der Klaviersonate) das Reich des Tonartenpaares C-Dur/F-Dur verläßt. Wenn man weiß, wie eng in der klangsinnlichen Welt Mozarts (ganz unabhängig von zwangsläufig im Schematischen steckenbleibenden „Tonartencharakteristiken“) die thematische und harmonische Landschaft eines Werkes mit der gewählten Tonart verknüpft ist, wird man diesem Umstand die ihm gebührende Beachtung schenken.
Trotz der sich aus dieser letzten Bemerkung ergebenden Querverbindung unseres Trios zur Jupiter-Symphonie, ist aber die Wahl der Tonart natürlich zuallererst in Zusammenhang mit dem unmittelbar vorangehenden Schwesternwerk (KV 542, E-Dur) zu bewerten. Denn es ist nicht unwahrscheinlich, daß Mozart mit den im Laufe dieses Sommers 1788 entstandenen Klaviertrios ursprünglich ähnliches im Sinn hatte wie etwa mit den Streichquintetten des Jahres 1787 oder den Streichquartetten von 1789 – nämlich eine zyklische Veröffentlichung.
Im Rahmen der ungleichschwebend temperierten Stimmung gehört C-Dur zu den „akkordischen“ Tonarten. Die Sonderstellung dieser Tonart in unserer musikalischen Orthographie und ihr daraus ableitbarer „pädagogischer“ Gebrauch läßt uns nur zu leicht ihre subtilere Spezifik vergessen. (Daß C-Dur – jedenfalls in den Händen unserer großen Meister – niemals eine „neutrale“ Allerweltstonart war, versteht sich von selbst; gerade das musikhistorisch so bedeutungsschwere Paar Jupiter-Symphonie/I. Beethoven, das noch dazu durch exakt kongruente Satz- und Tonartenfolge verbunden ist, mag da als Beleg dienen). Im Reich der Klavier- und Kammermusik muß das ungleichschwebende C-Dur jedenfalls ein koloristisches Element besessen haben, das es zum „Gegenbild“ des komplizierten E-Dur geradezu prädestinierte. Jedenfalls fällt auf, daß diese beiden Tonarten in drei Haydnschen Werkzyklen unmittelbar aufeinander folgen. Während in den Bartolozzi-Trios (Hob. XV:27-29) und den Esterházy-Sonaten (Hob. XVI:21-26) die Folge jeweils C-Dur/E-Dur ist, finden wir im ersten Zyklus der Tost-Quartette (Hob. III:57-59) ebenso wie einige Jahre später an einer sehr auffälligen Stelle der „Schöpfung“ die uns auch bei den beiden Mozartschen Klaviertrios des Sommers 1788 begegnende Abfolge E-Dur/C-Dur: Zu Beginn des dritten Teiles schildert Haydn den Paradiesesmorgen (E-Dur), der Adam und Eva zu einem naiven Lobgesang (C-Dur) hinreißt. Nicht unähnlich der dort von Haydn verwendeten Dramaturgie führt auch bei den beiden einander folgenden Mozartschen Klaviertrios der Weg von E-Dur nach C-Dur aus einer Sphäre lyrischer Halbtöne in das volle Licht tätiger Zustimmung.
Das auf den Tag genau ein Jahr vor dem legendären Sturm auf die Bastille beendete Werk erinnert uns gleich mit dem Kopfmotiv des eröffnenden Allegro an den mit revolutionären Gedanken spielenden Figaro – es ist schwer, sein „…delle belle turbando il riposo…“ (aus der Arie „Non più andrai“) nicht mitzusingen.[1] Überhaupt scheint der ganze Satz von opernhafter Gestik und Mimik durchzogen zu sein – die charakteristische Tonwiederholung auf der Dominante, die zwischen Bangigkeit und Koketterie schwankt, unterstreicht das ebenso wie das spitzbübische Seitenthema, das mit dynamisch ausgeklügelter Rhetorik einen köstlichen Intrigenplan entwirft. Das klagende Seufzermotiv, das in der sich in kanonischer Komplikation nach Moll wendenden Durchführung neu hinzutritt, steht in berührendem Gegenatz zu diesem leichtgewichtig-launigen Spiel: Hier wird hinter dem wie immer auch mitreißenden Spiel ein tiefer blickender Ernst hörbar, dessen wehmütiges Echo in der Folge auch fast noch die Reprise aus der ihr vorbestimmten „schicksalslosen“ Bahn wirft. Doch die ganz in ihrem Spiel befangenen Protagonisten wollen von den Zweifeln des Regisseurs gar nichts bemerkt haben, und der zupackende Humor des Incipits herrscht zuletzt auch ganz unangefochten über die ausgelassene Coda.
Der zweite Satz, Andante cantabile (F-Dur), ist ein Sonatensatz mit einem Hauptthema von recht eigenwilligem Zuschnitt: Vordersatz und Nachsatz der eröffnenden Periode (Klavier solo) haben motivisch nur sehr wenig gemeinsam, dafür wird der Nachsatz von der Geige wiederholt, so daß sich rückblickend der Vordersatz fast wie ein enleitendes Motto ausnimmt. Das charakteristischste Detail dieses Mottos, eine sich aus dem rhythmischen Hauptmotiv anmutig lösende Skala in zierlichen Zweiunddreißigsteln, wird in der Durchführung auf eine weite modulatorische Reise geschickt, wobei ihm das Seitenthema als Weggefährte mitgegeben wird. An kontrapunktischer Originalität steht diese Durchführung derjenigen des analogen Satzes von KV 496 (Klaviertrio G-Dur) nicht viel nach. In der Reprise wird der Ablauf des Geschehens kurz vor Ende von einem „Seufzerdialog“ (zwischen Geige und Klavier) unterbrochen, der noch einmal, gleichsam von ferne, an die dunkleren Töne des Kopfsatzes erinnert.
Doch auch diese Reminiszenz bleibt Episode: Ein keckes Rondo im Sechsachteltakt (Allegro) beschließt das Werk – unter allen Klaviertriosätzen Mozarts sicher der übermütigste und brillanteste. Der formale Ablauf entspricht fast genau dem des Finales aus KV 542, doch ist die konzertante Weiträumigkeit des E-Dur-Satzes hier einer frechen Knappheit gewichen, die hervorragend zu dem vorlauten Ton des thematischen Materials paßt. In das Minore klingen zwar wie von ferne noch die Sospiri der vorangehenden Sätze hinüber, aber auf die Dauer vermag nichts, sich der ansteckenden Ausgelassenheit zu entziehen, mit der Mozart den Satz zu einem wirkungsvollen Abschluß bringt. Die Lausbübereien reichen buchstäblich bis zum letzten Ton: In der Schlußwendung wird das augenzwinkernd martialische Incipit des ersten Satzes noch in einer wie beiläufig angebrachten Umkehrung verspottet.
[1] Diese Assoziation ist übrigens ein guter Beleg dafür, daß tonartliche und metrische Parallelen oft stärker wirken als eine sogar „wörtliche“ diastematische Übereinstimmung. Denn wer wollte leugnen, daß bei den drei folgenden – hier in chronologischer Reihenfolge zitierten Wendungen:
a) (KV 375,2,1-4) (Bläserserenade Es-Dur KV 375, Menuetto primo, Oktober 1781)
b) (KV 492,9,5-7) (Le nozze di Figaro KV 492, Nr. 9: Arie des Figaro, C-Dur, Oktober 1785/April 1786)
c) (KV 548,1,1,1-4) (Trio C-Dur KV 548, 1. Satz, Juli 1788)
die Bindung zwischen b) und c) weit enger ist als die zwischen a) und c), obwohl die „mechanische“ melodische Kongruenz im ersten Fall unbestreitbar enger als im zweiten ist? An diesem Eindruck ist natürlich auch der größere – also: raumgreifendere, mutigere – Ambitus der Beispiele b) (Dezim) und c) (Tredezim) im Vergleich zur biederen Oktave des Bläsermenuetts entscheidend beteiligt.