Kenny Wheeler
* St. Catharines, ON, 14. Januar 1930
† London, 18. September 2014
Other People
„Other People“ führt uns mit spielerischer Doppelbödigkeit auf eine jener falschen Fährten, auf denen man oft die verblüffendsten Funde macht. Eine gar nicht wehleidige, sondern weise Melancholie prägt Stücke wie „Some days Are Better“ und „Win Some Loose Some“. Mit dem ältesten der hier versammelten Werke, seinem (bisher einzigen) Streichquartett, begibt sich Kenny auf eine Entdeckungsreise in die Welt der „klassischen“ Kammermusik, die – in der Komplexität ihrer Chiffrierungen und der aus freiwilliger Selbstbeschränkung erwachsenden Subtilität – mit derjenigen des Jazz sehr viel mehr gemein hat, als ein oberflächlicher Betrachter zu erkennen vermag. Daß diese kammermusikalische Textur einer Urbegabung des Komponisten entgegenkommt, hört man schon in „Nita“. Die ältesten Schmerzen des Lebens werden schließlich dem ungleichen Paar „The Unfortunate Man“ und „The Lucky Lady“ in den Mund gelegt: Und es ist sicher kein Zufall, daß es dem Wheelerschen Unglück nicht an Vitalität und dem Wheelerschen Glück nicht an Nachdenklichkeit fehlt. Die für Kenny so bezeichnende sympathische Selbstironie drückt sich unter anderem in dem Titel aus, den er dem (abgesehen vom Quartett) längsten Stück der Auswahl gegeben hat: „More is less“ – ein Motto, dem man nicht widersprechen kann; aber trotzdem möchte man von der ebenso kunstreichen wie ungekünstelten Musik Kenny Wheelers immer noch mehr bekommen.
© Claus-Christian Schuster